Qualzucht bei Katzen: Wenn das Aussehen krank macht Dieser Artikel ist tierärztlich verifiziert

Qualzucht Katze mit Faltohren

Viele Katzenrassen wie die Scottish Fold leiden unter ihrem extremen Aussehen.

Zahlreiche Katzen leiden unter ihrer vermeintlich niedlichen oder exotischen Optik, welche gezielt angezüchtet wird. Tierschützer sprechen in dem Fall von Qualzucht bei Katzen. Was genau bedeutet das für die Tiere und welche gesundheitlichen Probleme gehen damit einher? In diesem Beitrag erfahren Sie mehr zu den betroffenen Katzenrassen und Qualzucht-Merkmalen, die Sie kennen sollten.

Was ist Qualzucht bei Katzen?

Wenn eine Katze aufgrund der Eigenschaften, mit denen sie gezüchtet wurde, ein Leben lang Schmerzen oder gesundheitliche Schäden davonträgt, ist dies das Ergebnis von Qualzucht.

Qualzucht liegt vor allem dann vor, wenn Züchter sich auf ihre ästhetischen oder verhaltensbezogenen Ansprüche konzentrieren und Tiere nach ihren Wünschen züchten. Hierfür entfernen sie unerwünschte Merkmale oder wählen ein besonders erwünschtes Merkmal aus.

Ein Leben voller Qualen

Wenn es um Qualzucht bei Katzen geht, ist es wichtig zu verstehen, dass sie lebenslange Gesundheitsprobleme verursacht. In vielen Fällen verschlimmern sich die Beschwerden mit der Zeit. Häufig reicht auch eine frühzeitige tierärztliche Behandlung nicht mehr aus, um Leiden zu verhindern.

Folglich haben qualgezüchtete Katzen nicht nur eine allgemein schlechtere Lebensqualität, sondern oft auch eine kürzere Lebenserwartung.

Sind alle Katzen einer Qualzucht-Rasse betroffen?

Nicht alle Tiere einer als Qualzucht eingestuften Katzenrasse weisen auch die Qualzuchtmerkmale auf. Die Ausprägung der Merkmale kann von Tier zu Tier unterschiedlich sein und eine Generation überspringen.

Bedenken Sie jedoch, dass Ihre Katze dennoch ein Qualzuchtmerkmal in ihrem Erbgut tragen und es an ihre Nachkommen weitergeben kann, auch wenn Sie es äußerlich nicht sehen.

Qualzucht-Merkmale im Überblick: Welche Katzenrassen zählen zu den Qualzuchten?

Nach Ansicht von Tierschützern und einigen Rechtsvorschriften gibt es eine Reihe von Qualzucht-Merkmalen, die bei bestimmten Katzenrassen auftreten können. Im Folgenden finden Sie eine Übersicht der häufigsten Qualzucht-Merkmale bei Katzen und ihren gesundheitlichen Folgen.

Grundlage hierfür ist ein Gutachten zur Auslegung des § 11b des deutschen Tierschutzgesetzes (Verbot der Qualzucht) durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Das Gutachten wurde erstellt, um vor allem Züchtern zu helfen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes vollständig einzuhalten. Das Gutachten führt auf, welche Zuchtziele mit dem geltenden Tierschutzgesetz nicht vereinbar sind.

Kurzköpfigkeit (Brachyzephalie)

Brachyzephale Katzen leiden an „Kurzköpfigkeit“. Die betroffenen Tiere haben einen verkürzten Schädel und andere der folgenden Merkmale:

  • kleinere Nasenlöcher
  • verkürzte Kieferknochen
  • große Augen
  • verlängertes Gaumensegel

Viele brachyzephale Katzen leiden ein Leben lang unter Atemproblemen wie Atemnot. Stresssituationen wie körperliche Aktivitäten oder hohe Temperaturen können für sie sogar lebensbedrohlich sein. Auch andere gesundheitliche Probleme können mit dem Brachyzephalie-Syndrom verbunden sein, darunter Augen-, Ohren- und Hautprobleme.

Betroffene Rassen:

Kurzschwänzigkeit oder Schwanzlosigkeit

Kurzschwänzigkeit (oder Schwanzlosigkeit) ist die Folge von Fehlbildungen der Wirbelsäule. Leider sind diese angeborenen Fehlbildungen auch mit nervösen Defiziten, einschließlich Lahmheit oder Inkontinenz, verbunden.

Da der Schwanz der Katze dem Gleichgewicht dient und für die arttypische Kommunikation wichtig ist, können schwanzlose Katzen oft kein arttypisches Leben führen. Kreuzt man zwei schwanzlose Katzen miteinander, sind die Nachkommen oft nicht überlebensfähig.

Betroffene Rassen:

Haarlosigkeit (Alopezie) bei Nacktkatzen

Haarlose Rassekatzen haben mehrere gesundheitliche Nachteile. Sie bekommen schneller Sonnenbrand und sind als Nachkommen oft nicht überlebensfähig. Zudem fehlen neben der normalen Körperbehaarung auch oft die Tasthaare (Vibrissen), welche eine wichtige Funktion für die Orientierung der Katze erfüllen.

Mehr Informationen finden Sie unter: Nacktkatzen: Rassen & Qualzuchtproblematik

Betroffene Rassen sind unter anderem:

Sphynx-Katze Qualzucht © Довидович Михаил / stock.adobe.com
Haarlosigkeit bei der Sphynx-Katze, die Tasthaare fehlen.

Faltohren

Faltohrkatzen haben durch die Herauszüchtung einer schweren Erbkrankheit nach vorne gerichtete Kippohren. Diese Erbkrankheit verursacht auch Knorpel- oder Knochenschäden an anderen Stellen des Körpers und dauerhafte Schmerzen, Leiden und Schäden.

Durch die Faltohren ist sowohl die Orientierung der Katze als auch die Kommunikation und Kontaktaufnahme mit Artgenossen gestört.

Betroffene Rassen: Scottish Fold

Faltohren Scottish Fold Qualzucht © GolubaPhoto / stock.adobe.com
Faltohren bei der Scottish Fold.

Gestörte Fellstruktur und Fehlen der Tasthaare

Bei einigen Katzenrassen ist das Fell gewellt und brüchig – und damit auch in seiner Funktion stark eingeschränkt.

Durch das Kräuseln oder das völlige Fehlen der Tasthaare ist die Katze nicht in der Lage, ihr arttypisches Verhalten auszuführen. Kommunikation und Orientierung, das Untersuchen von Gegenständen und die Kontaktaufnahme sind beeinträchtigt.

Betroffene Rassen: Devon Rex und andere Rex-Katzen

Kurze Beine (Munchkin)

Kurze Beine sind das Ergebnis einer spontanen Genmutation und gehen nach Ansicht von Tierschützern mit einer eingeschränkten Bewegungsfreiheit einher. Tierschützer halten die Munchkin-Katze daher für eine Qualzucht.

Weiße Katzen

Mit der Zucht auf das W-Gen kommt es zu Schwerhörigkeit bis hin zu Taubheit und einer erhöhten Anfälligkeit für Hauttumore. Von Problemen betroffen sind rein weiße bzw. überwiegend weiß-gescheckte Tiere.

Die Katzen sind in ihrer Kommunikation stark eingeschränkt, können Drohlaute von Artgenossen nicht wahrnehmen und das Fiepen und Schnurren ihrer eigenen Kitten nicht hören.

Betroffene Rassen:

Blaue Augen

Blauäugige Katzen und Tiere mit verschiedenfarbigen Augen zeigen häufig Augenerkrankungen wie Netzhautveränderungen, Augenzittern oder Schielen.

Betroffene Rassen:

Hybride (Kreuzung Wildtier mit Haustier)

Bei Hybrid-Zuchten werden Kater wilder Katzenarten mit weiblichen Hauskatzen verpaart. Dazu gehören zum Beispiel:

Massive Probleme bei Zucht und Geburt

Bei der Paarung kommt es häufig zu Verletzungen des Muttertieres. Der Nachwuchs einiger Wildkatzen ist drei- bis viermal größer als normale Kitten, und in der ersten Generation kommt es häufig zu schwierigen Geburten, Notkaiserschnitten oder Totgeburten.

Die Muttertiere überleben die Geburt oft nicht. Die männlichen Kitten sind bis zur dritten Generation unfruchtbar, daher müssen weiterhin die wilden Kater zur Zucht herangezogen werden.

Artgerechte Haltung ist schwierig

Aufgrund der Eigenschaften von Wildtieren ist deren Haltung schwierig und ein privater Haushalt kann dem oft nicht gerecht werden – Verhaltensprobleme sind die Folge.

Mischlingskatzen sind meist nachtaktiv, haben einen ausgeprägten Jagdinstinkt und verhalten sich nicht immer wie domestizierte Tiere. Die Folgen von Beißen und Kratzen sind vielfältiger. Sie stellen auch oft eine Bedrohung für die heimische Tierwelt dar.

Bengal-Katze Qualzucht © Lela Kieler / stock.adobe.com
Bengal-Katzen werden immer beliebter. Die Zucht der Rasse sehen Tierschützer jedoch als extrem problematisch.

Tierschutzgesetz: Ist Qualzucht bei Katzen verboten?

In Deutschland ist eine Züchtung von Katzen mit Qualzucht-Merkmalen nach § 11b (so genannter Qualzuchtparagraf) des Deutschen Tierschutzgesetzes (TierSchG) eigentlich verboten. Das Problem liegt allerdings in der Umsetzung.

Gesetzgebug zu unkonkret

Eine explizite Definition des Begriffes Qualzucht und eindeutigen Merkmalen führt das deutsche Tierschutzgesetz nicht weiter aus. Das bedeutet in der Praxis: Was genau als Qualzucht bei Katzen gilt, bleibt bis dato Auslegungssache.

Veterinärämter und Gerichte können daher ihre eigene Definition anwenden, was wiederum bis hin zu einem Zuchtverbot oder einer Kastrationspflicht führen kann. In der Regel ist es für die Behörden jedoch schwierig, die Qualzuchten rechtlich zu verfolgen und konkrete Verbote auszusprechen.

Die gesetzlichen Regelungen sind nicht einheitlich

Die gesetzlichen Regelungen für die Zucht von Haustieren wie Katzen sind zudem von Land zu Land und manchmal auch von Region zu Region unterschiedlich.

Während viele europäische Länder wie Deutschland, Österreich und die Schweiz über gesetzliche Regelungen verfügen, die Qualzuchten verbieten, haben andere Länder wie Frankreich keine einheitlichen Tierschutzgesetze.

Qualzucht bei Katzen vermeiden: Nachhaltig Verantwortung übernehmen

Für eine nachhaltige Veränderung in der Zucht ist nicht nur der Gesetzgeber allein in der Verantwortung. Die Gesundheit der Katzen sollte auch immer das Hauptziel eines jeden Züchters sein.

Gesetzgeber, Züchter, Unternehmen und Halter gleichermaßen in der Pflicht

Um das Bewusstsein bei den Züchtern, aber auch in der Gesellschaft insgesamt zu schärfen, ist Aufklärung ausschlaggebend: Medien, Unternehmen und Influencer haben durch unkritische Darstellungen betroffener Rassen in der Werbung einen großen Einfluss auf das Kaufinteresse.

So sollten auch potenzielle Tierhalter kritische Zuchten stets hinterfragen und nicht unterstützen.

Sensibilisieren Sie Ihre Bekannten

Viele Menschen sind sich des Problems der Qualzucht bei Katzen gar nicht bewusst. Der Grund dafür ist, dass viele Qualzuchten in den sozialen Medien verniedlicht und unkritisch dargestellt werden. Um zu einer besseren Tiergesundheit beizutragen, ist es daher wichtig, dass Sie Ihre Bekannten über die Problematik der Qualzucht aufklären.

Quellen:


Franziska G., Tierärztin
Profilbild von Tierärztin Franziska Gütgeman mit Hund

An der Justus-Liebig-Universität Gießen wurde ich zur Tierärztin ausgebildet und durfte Erfahrungen in verschiedensten Bereichen sammeln. Seitdem arbeite ich nicht nur als tierärztliche Autorin, sondern auch an meiner Dissertation. Mein Ziel ist es, Tiere vor krankheitserregenden bakteriellen Erregern zukünftig besser zu schützen. Neben meinem tierärztlichen Wissen teile ich meine eigenen Erfahrungen als glückliche Hundebesitzerin. Dadurch kann ich Ängste und Probleme nachvollziehen und zugleich über diese aufklären.


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