Brachyzephalie (Kurzköpfigkeit) beim Hund ist wahrscheinlich eines der umstrittensten Gesundheitsthemen unter Tierfreunden. Die einen lieben die kindlich aussehenden Hunde, die anderen stufen sie als Qualzucht ein. Erfahren Sie hier, warum Brachyzephalie beim Hund gefährlich sein kann und unter welchen Folgen betroffene Rassen leiden.
Brachyzephalie beim Hund: Kurzköpfigkeit und ihre Folgen
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Brachyzephale Hunderassen sind aufgrund ihres kindlichen Aussehens bei vielen Menschen besonders beliebt – die extreme Kurzköpfigkeit, wie bei dieser Französischen Bulldogge, hat jedoch gravierende Folgen.
Inhaltsübersicht
- Ist Brachyzephalie beim Hund gefährlich?
- Gesundheitliche Probleme und Symptome bei Brachyzephalie
- Ursachen: Wie entsteht die Brachyzephalie beim Hund?
- Gilt Brachyzephalie als Qualzucht?
- Therapie: Wie lässt sich die Brachyzephalie beim Hund behandeln?
- Prognose: Unbehandelte Probleme werden immer schlimmer
- Hilfe im Alltag: So können Sie Ihrem brachyzephalen Hund helfen
- Fazit: Brachyzephalie von Anfang an vermeiden
Ist Brachyzephalie beim Hund gefährlich?
Brachyzephalie (auch brachyzephales Syndrom) ist eine Kurzköpfigkeit oder Rundköpfigkeit bei Hunden. Das Wort leitet sich von „brachýs“ (kurz) und „kephalḗ“ (Kopf) ab.
Brachyzephalie ist genetisch bedingt und eine Folge der selektiven Zucht mit kurzköpfigen Hunden – diese sollen besonders niedlich und kindlich aussehen. Leider geht diese anatomische Veränderung auch mit gesundheitlichen Problemen einher, die für den Tierschutz relevant sind. Zu diesen gehören vor allem Atemprobleme wie Atemnot.
Welche Rassen sind brachyzephal?
Zu den brachyzephalen Hunderassen gehören vor allem:
Gibt es „gesunde“ brachyzephale Hunde?
Unter den brachyzephalen Hunden gibt es nur sehr wenige Ausnahmen, die kaum oder weniger Beschwerden zeigen. Diese sind jedoch nicht die Regel, weshalb Sie die Brachyzephalie bei Hunden immer kritisch betrachten sollten.
Leider leiden brachyzephale Hunde meist an gesundheitlichen Problemen, die genetisch bedingt sind. Dazu gehören in erster Linie Atemprobleme, die leider nicht mehr von alleine abklingen:
Atemnot, Hecheln und Schnarchen
Atemnot ist eines der Hauptprobleme, die bei Hunden mit Brachyzephalie auftreten. Sie entsteht durch zuchtbedingte Verformungen der folgenden anatomischen Strukturen im Kopfbereich:
- Nasenlöcher
- Nasenmuscheln (Conchen)
- Nasenscheidewand (Septum nasi)
- vorderer Rachen (oropharyngealer Raum)
- Kehlkopfes (Larynx)
Stetiges Hecheln, Schnarchen und das beklemmende Gefühl, nach Luft schnappen zu müssen, begleitet viele brachyzephale Hunde ein Leben lang. Das bedeutet nicht nur ständiges Leiden, sondern auch die Gefahr des Erstickens.
Schlafstörungen
Wenn Ihr Hund nicht richtig atmen kann, hat er auch während des Schlafs Schwierigkeiten zu atmen. Dies äußert sich häufig in der sogenannten Schlafapnoe, bei der die Atmung Ihres Hundes während des Schlafs vorübergehend aussetzt.
Schlafapnoe führt auch dazu, dass Ihr Hund nachts häufiger aufsteht und unruhig ist. Er kann sogar versuchen, im Sitzen zu schlafen, um seine verengten Atemwege zu entlasten. Tagsüber ist er dann müde und erschöpft.
Kehlkopfkollaps
Wenn Sie nichts gegen die Atembeschwerden Ihres brachyzephalen Hundes unternehmen, besteht die Gefahr eines Trachealkollapses (Kehlkopfkollaps). Der Grund dafür ist die zunehmende Verformung des Kehlkopfknorpels.
Weitere gesundheitliche Beschwerden
Zusätzlich zu den oben genannten Problemen haben einige brachyzephale Hunde auch ein erhöhtes Risiko, weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen zu entwickeln. Dazu gehören:
- Entzündungen der Atemwege (z.B. durch Infektionen)
- Herz-Kreislauf-Probleme
- Hitzschlag
- Verdauungsprobleme
Brachyzephalie ist eine Folge gezielter Zucht. Nach und nach begannen Hundezüchter, Hunde mit brachyzephalen Merkmalen (kurze Nase, kurzer Unterkiefer und damit verbundene Stauchung der umliegenden Strukturen) zur Zucht auszuwählen, um das charakteristische Erscheinungsbild der Rasse – das kindliche Aussehen – zu erhalten.
Ein menschengemachtes Problem
Vor allem in den letzten Jahrzehnten ist es immer häufiger vorgekommen, dass brachyzephale Merkmale überselektiert wurden, was zu überzüchteten Hunden mit extremer Brachyzephalie führte.
Da diese vom Menschen verursachte Form der Brachyzephalie bei den betroffenen Hunden oft zu lebensbedrohlichen Gesundheitsproblemen führt, betrachten Tierliebhaber und einige Länder dies als Qualzucht.
Aus tiermedizinischer Sicht ist die Brachyzephalie bei Hunden als Qualzucht einzustufen. Auch in anderen Ländern gilt das Brachycephale Syndrom bereits als tierschutzrelevant. Gesetzlich betrachtet ist die offizielle Einordnung als Qualzucht jedoch schwierig. Auch länderübergreifend gibt es keine einheitliche, rechtsverbindliche Einstufung.
Deutsches Tierschutzgesetz verbietet Qulazuchten – jedoch unzureichend
So verbietet zum Beispiel das deutsche Tierschutzgesetz Zuchten, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden einhergehen. In § 11b des Deutschen Tierschutzgesetzes heißt es:
„Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten oder durch biotechnische Maßnahmen zu verändern, soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse oder im Falle der Veränderung Erkenntnisse, die Veränderungen durch biotechnische Maßnahmen betreffen, erwarten lassen, dass als Folge der Zucht oder Veränderung…bei der Nachzucht, den biotechnisch veränderten Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten…”
Demnach ist Qualzucht laut dem deutschen Tierschutzgesetz eigentlich verboten, es bleibt jedoch zu unkonkret und scheitert dadurch oftmals an der Umsetzung. Denn welche Symptome und Merkmale genau als Qualzucht einzuordnen sind, wird darin so nicht explizit definiert. So wird auch die Brachyzephalie als konkretes Qualzuchtmerkmal nicht aufgeführt.
Bei Verdacht auf Qualzucht muss in Deutschland daher aktuell immer im Einzelfall überprüft und entschieden werden. Ganze Rassen dürfen in Deutschland bislang nicht pauschal verboten werden.
Hecheln und Schnarchen sind beim brachyzephalen Hund niemals als harmlos anzusehen. Diese Symptome und insbesondere die Maulatmung erfordern immer sofortige tierärztliche Hilfe.
Zeigt Ihr Hund starke Atemnot, ist es in erster Linie wichtig, dass der Tierarzt den Kreislauf mithilfe von Sauerstoff und Medikamenten stabilisiert. Auch das Kühlen des Hundes kann Linderung verschaffen.
Die Brachyzephalie-Operation: Multi-Level-Chirurgie
Um die Atemwege Ihres brachyzephalen Hundes langfristig zu entlasten, hilft nur eine Operation. Heutzutage gibt es verschiedene Operationsmethoden, wobei die Lasertechnik derzeit der Goldstandard ist.
Was wird bei der Operation verändert?
Der Tierarzt kann die kurze Nase und den verformten Kopf Ihres Hundes zwar nicht korrigieren, aber er kann Engstellen durch die folgenden Maßnahmen (allein oder in Kombination) erweitern:
- Verkürzung oder Ausdünnung des zu großen Gaumensegels
- Verbreiterung der Nasenlöcher (Entfernung von Knorpel und Haut)
- Entfernung von entzündeten Mandeln (Tonsillen)
- Verkleinerung der Nasenmuscheln
Da mehrere Bereiche behandelt werden, sprechen Tierärzte auch von einer „Multi-Level-Chirurgie“.
Wann sollte ich meinen brachyzephalen Hund operieren lassen?
Der richtige Zeitpunkt für eine Operation hängt vom Ausmaß der klinischen Symptome Ihres Hundes ab. Auch andere Faktoren können eine Rolle spielen, beispielsweise weitere Grunderkrankungen.
Lassen Sie sich daher von Ihrem Tierarzt individuell beraten, ob und wann Ihr Hund operiert werden muss.
Wie ist der Therapieerfolg?
Der Behandlungserfolg hängt von verschiedenen Faktoren ab (z.B. vom Ausmaß der anatomischen Verformungen). Lasermethoden gelten jedoch im Allgemeinen als sehr schonend, da der Tierarzt den Laser gezielt einsetzen kann.
Dennoch kann es vorkommen, dass die Operation beim ersten Mal keine dauerhafte Besserung bringt. Daher sind hin und wieder weitere Operationen notwendig.
Welche Risiken gibt es?
Jede Narkose und jeder chirurgische Eingriff birgt ein gewisses Gesundheitsrisiko. Brachyzephale Rassen haben zudem ein erhöhtes Operationsrisiko, da sie meist von vornherein Kreislaufprobleme haben. Ihr Tierarzt wird Sie daher vor dem Eingriff ausführlich über die Risiken der Operation aufklären.
Was kostet eine Brachyzephalie-OP?
Wie teuer die Operation sein wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören das Ausmaß der Erkrankung und die Zeit, die Ihr Tierarzt benötigt, um die Verengungen zu erweitern. Auch die ortsübliche Gebührenordnung und der gewählte Satz haben einen Einfluss auf die Kosten des Eingriffs.
Tipp: Fragen Sie Ihren Tierarzt im Voraus nach einem Kostenvoranschlag.
Durch Brachyzephalie verursachte Atemwegsprobleme verschwinden nicht, sondern verschlimmern sich eher noch.
Das liegt daran, dass das Gewebe durch die bereits bestehende Verengung noch mehr gereizt und geschwollen wird – was wiederum die Atemwege weiter verengt. Auch der normale Alterungsprozess oder hohe Temperaturen wirken sich auf die Atemwege aus, sodass Sie mit einer Verschlimmerung der Symptome rechnen müssen.
Daher gilt: Zeigt Ihr brachyzephaler Hund erste Atemprobleme, ist eine Behandlung unerlässlich.
Hilfe im Alltag: So können Sie Ihrem brachyzephalen Hund helfen
Langfristig kann nur eine chirurgische Behandlung Ihrem brachyzephalen Hund mit Atemproblemen helfen. Wenn Sie außerdem die folgenden Tipps beachten, können Sie die Symptome zusätzlich etwas lindern:
Abhilfe an warmen Tagen
Steigt die Temperatur, fällt es auch Ihrem brachyzephalen Hund schwerer, richtig zu atmen. Um ihn vor allem an Sommertagen zu entlasten, können Sie diese Hinweise befolgen: Abkühlung für Hunde: 10 Tipps für heiße Sommertage.
Übergewicht bekämpfen
Wenn Ihr Hund übergewichtig ist, sollten Sie unbedingt dafür sorgen, dass er sein Normalgewicht erreicht. Der Grund dafür ist, dass sich überschüssiges Fett oft im Halsbereich ansammelt, was die Verengung der Atemwege verschlimmert.
Fazit: Brachyzephalie von Anfang an vermeiden
Auch wenn es heutzutage möglich ist, Brachyzephalie chirurgisch zu behandeln: Auf Dauer ist es keine Lösung, ein Tier erst „krank zu züchten“ und es später zu operieren. Die einzige Möglichkeit, die Brachyzephalie beim Hund zu vermeiden, besteht darin, Hunde mit Bedacht zu züchten.
Es sollte daher im Interesse aller sein, nur Tiere zu züchten, die alle Grundvoraussetzungen für ein gesundes und glückliches Leben mitbringen.
Hundefreunde kämpfen für den Tierschutz
Viele Menschen sind sich der tierschutzrelevanten Bedeutung der Brachyzephalie bei Hunden noch immer nicht bewusst. Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahren immer mehr Projekte ins Leben gerufen, um auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen.
Mit Erfolg: Es wurden die ersten Rückzüchtungen von Möpsen geschaffen, die weniger Beschwerden haben sollen. Außerdem wurde die Zucht von brachyzephalen Hunden mit bestimmten Defekten in den Niederlanden im Jahr 2023 bereits endgültig verboten.