Vernetzen statt verzichten

Projekt „Seelenpelz“ bringt Senioren und Fellnasen zusammen

Hund und Seniorin
Das Projekt „Seelenpelz“ ist eine Chance für Mensch und Tier.

Eine junge Initiative mit großen Plänen: Das Projekt „Seelenpelz“ sucht engagierte Helfer, um Senioren die sorgenfreie Tierhaltung zu ermöglichen.

Tierhaltung im Alter? Diesen Wunsch geben viele Senioren schweren Herzens auf. Damit sie nicht auf einen felligen Begleiter verzichten müssen, will die Initiative „Seelenpelz“ der Stiftung Lebensräume diesen Wunsch ermöglichen – mit einem Helfernetzwerk aus Tier- und Menschenfreunden. Im Interview erzählt Initiatorin Dr. Miriam Stark von den Beweggründen und Zielen ihres tierischen Herzensprojekts.

Liebe Frau Dr. Stark, was ist die Idee hinter dem Projekt „Seelenpelz“?

Dr. Miriam Stark: Wenn Senioren bei der Versorgung ihres Haustieres körperlich und finanziell an ihre Grenzen stoßen, müssen sie sich oft schweren Herzens von ihnen trennen – oder zweifeln gänzlich an der Neuanschaffung eines Tieres. Wir denken, das muss nicht sein. Mit dem Projekt „Seelenpelz“ möchten wir Senioren eine sorgenfreie Tierhaltung auch im Alter ermöglichen und ihnen dafür einen Teil der Verantwortung für ihr Haustier abnehmen.

Warum haben Sie „Seelenpelz“ ins Leben gerufen?

Stark: Viele Senioren sind von steigender Alltagseinsamkeit, Depressionen und auch Altersarmut betroffen – gerade auch in Folge der Corona-Pandemie. Tiere können hier einen enormen Einfluss haben und den Lebensraum alter Menschen bereichern. Es gibt viele Studien, die belegen, dass sich ein Tier positiv auf Senioren auswirkt, zum Beispiel auf ihren Serotoninspiegel.

Wir wollen nicht die menschliche Zuwendung, die ein Senior braucht, infrage stellen oder ersetzen. Aber gerade in Hinblick auf diese Alltagseinsamkeit, kann die Haltung von Hund oder Katze einen deutlichen Unterschied für Senioren bewirken – allein zu spüren, dass da jemand Tag und Nacht bei einem ist und das Gefühl, nochmal gebraucht zu werden. Die Senioren bekommen durch das Tier eine Aufgabe, Verantwortung und ein Stück Lebensfreude zurück. Gerade mit einem Hund hat man wieder viel mehr Teilhabe am öffentlichen Leben. Und für die Tiere, besonders für die älteren, die es oft schwer in der Vermittlung haben, ist es eine tolle Möglichkeit – wo sind sie schließlich mehr im Mittelpunkt, als bei alten Menschen?

Was hält Senioren denn ab davon, ein Tier zu halten?

Stark: Obwohl alle diese Punkte für die Adoption eines Tieres im Alter sprechen, stehen auf der anderen Seite viele Sorgen der Senioren, die sie letztendlich doch davon abhalten. Dazu gehört die Unsicherheit bezüglich der eigenen Lebenszeit, eine geringe Rente, schwindende Kräfte oder längere Ausfälle durch Krankheit oder Reha. In Tierarztpraxen habe ich es oft erlebt, dass ältere Menschen, die ihr Tier aus Alters- oder Krankheitsgründen einschläfern lassen mussten, uns unter Tränen mitteilten, dass dieser Hund oder die Katze das letzte Haustier war. Sie trauen sich diese Verantwortung nicht mehr zu. Ich selbst habe es in der Familie erlebt und finde es so traurig und schade.

Frau mit Hund © Dr. Miriam Stark
Dr. Miriam Stark mit ihrer Hündin Helene.

Wie genau unterstützen Sie die Senioren?

Stark: Mit einem großen Helfernetzwerk aus festen Paten und ehrenamtlichen Helfern wollen wir den Senioren von Alltag bis Notfall in allen Situation zur Seite stehen. Dazu gehört zum Beispiel die Unterstützung beim Einkauf von Futter und Tierbedarf, beim Gassigehen und bei Tierarztbesuchen oder auch die kurz- oder langfristige Betreuung und Versorgung des Tieres.

Darüber hinaus wollen wir die Senioren auch finanziell mit Patenschaften und Spenden unterstützen, um einen Teil der anfallenden Kosten übernehmen zu können. Hierfür streben wir zum Beispiel auch Kooperationen mit Tierkrankenkassen, -versicherungen und Tierarztpraxen an, um preiswertere Optionen für die Senioren zu ermöglichen. Grundsätzlich wollen wir alte Menschen auch bei der Tieranschaffung unterstützen. Das heißt sowohl bei der Auswahl eines geeigneten Vierbeiners als auch bei der eigentlichen Vermittlung.

Welche Tiere vermitteln Sie im Rahmen des Projektes?

Stark: Wir streben aktuell vor allem Partnerschaften mit Tierheimen an. Aber auch Tiere aus Pflegestellen sehen wir als potenzielle Kandidaten für das Projekt Seelenpelz. Selbst wenn ein Hund oder eine Katze „nur“ ein oder zwei Jahre bei einem Senioren bleibt, ist es besser, als diese Zeit vergleichsweise im Tierheim abzusitzen – auch wenn die Tierschützer und -pfleger vor Ort natürlich alles geben. Aber so kann das Projekt vielen Seiten gleichzeitig zugutekommen.

Tierheime vermitteln in der Regel aber eher seltener an Senioren im hohen Alter, oder?

Stark: Ja, das stimmt, was auf der einen Seite aber auch verständlich ist. Wenn der Halter verstirbt, landet das Tier schließlich wieder im Tierheim. Auch für die Tiere wäre der Weg zurück ins Tierheim eine Belastung, das möchten wir gerne vermeiden. Wenn der Senior das Tier also abgeben muss, weil er nicht mehr kann, pflegebedürftig wird oder verstirbt, kümmern wir uns um eine nahtlose Versorgung und dann auch um eine liebevolle Weitervermittlung. Wir möchten den Senioren die Sorge nehmen, dass sie ihren Vierbeiner zu jeder Zeit in guten Händen wissen können. Ansonsten kommt es bei der Vermittlung auch immer auf die individuellen Umstände des Senioren an.

Die Chemie muss stimmen und Senior und Tier müssen einfach zusammenpassen. Vermutlich werden wir hierbei kaum auf quirlige Welpen zurückgreifen, die noch stubenrein werden müssen. Wir besprechen genau, was der Senior sich noch zutraut und beurteilen die Situation letztendlich mit. Darüber hinaus wollen wir auch ein eigenes Tier-Netzwerk aufbauen. Hunde und Katze von verstorbenen Senioren sollen dabei voranging innerhalb des Netzwerkes liebevoll weiter vermittelt werden.

Was sind Ihre nächsten Schritte, um mit dem Projekt erfolgreich durchzustarten?

Stark: Da das Projekt noch ganz jung ist, steht aktuell der Aufbau des Helfernetzwerkes im Vordergrund. Dafür möchten wir Paten und Tierfreunde gewinnen, die sich gerne gemeinsam mit uns sozial engagieren möchten. Im besten Fall wollen wir auch Win-Win-Situationen für alle Beteiligten schaffen. Zum Beispiel durch ein Pet-Sharing-Model für berufstätige Tierbesitzer und Senioren. Hier könnte der Hund tagsüber bei seinem Partner-Senior sein und abends wieder abgeholt werden. Es gibt viele Möglichkeiten. Unsere ersten Paten und Helfer stehen zwar schon in den Startlöchern, aber es braucht eben noch ein paar mehr, um eine vollumfängliche und reibungslose Unterstützung der Senioren zu jeder Zeit gewährleisten zu können.

Was sollte man mitbringen, wenn man Teil des Helfernetzwerks sein und das Projekt unterstützen möchte?

Stark: In erster Linie sollte man Menschen- und Tierfreund sein und Freude an ehrenamtlicher Arbeit haben. Der Umgang mit Senioren und Tieren erfordert zudem oft auch viel Geduld und Verständnis. Darüber hinaus ist es wichtig, viel Zeit, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein mitzubringen. Ansonsten kann jeder das Netzwerk anderweitig mit Stärken, Fähigkeiten oder Voraussetzungen unterstützen. Egal ob mit Wissen und Erfahrung oder auch Mobilität. Vor allem wünschen wir uns Ansprechpartner und Helfer, die treu und langfristig an der Seite eines Senioren und seinem Tier sind.

Ein wirklich tolles Projekt! Vielen Dank für das Interview und Ihr Engagement, Frau Dr. Stark. Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Erfolg für Ihr Projekt!

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  • Bettina

    Das ist ein großartiges und liebevolles Projekt für Menschen und Tiere – viel Erfolg!!! 🙏🙏🙏

    1 Antwort anzeigen
    • Author
      @Bettina

      Hi Bettina, vielen Dank für deinen Kommentar! 🙂 Das finden wir auch – die Initiatorin und ihr tolles Team freuen sich sicher, über so positives Feedback. 🙂
      Liebe Grüße, Luisa