Zuhause gesucht

Problemhunde im Tierheim – unvermittelbar?

Problemhunde
Verhaltensauffällige, alte oder kranke Hunde sind in Tierheimen meist traurige „Dauersitzer“.

Warum sitzen manche Hunde mehrere Jahre oder sogar lebenslang im Tierheim? Wer kümmert sich um sie? Wir beleuchten das Phänomen „Problemhunde“ näher.

Deutsche Tierheime nehmen jedes Jahr rund 350.000 Tiere neu auf – etwa 75.000 davon sind Hunde, einige sogenannte Problemhunde. Manche Vierbeiner werden von ihren Besitzern abgebeben, andere ausgesetzt oder beschlagnahmt. Im Schnitt bleiben die verlassenen Fellnasen zwei bis sechs Monate im Tierheim, bis sie ein neues Zuhause gefunden haben.

Vereinzelt sind aber auch wirklich „schwere Felle“ darunter. Hunde, die mehrere Jahre oder sogar ihr Leben lang auf eine zweite Chance warten. Was hat es mit diesen sogenannten „Problemhunden“ auf sich? Welche Hunde sind besonders schwierig zu vermitteln und wie gehen die Tierheime mit solchen Dauersitzern um? Wir haben uns beim Hamburger Tierschutzverein und beim Deutschen Tierschutzbund umgehört.

Listenhunde sind kaum vermittelbar

Dr. Urte Inkmann ist die leitende Tierärztin des Hamburger Tierschutzvereins und Leiterin des zweitgrößten Tierheims in Deutschland mit mehr als 11.000 Aufnahmen pro Jahr. Sie sagt: „Bei uns sind vor allem die im Hamburger Hundegesetz als Kategorie I gelisteten Rassen schwierig zu vermitteln. Das betrifft Pitbull, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier, Bullterrier sowie alle deren Mischlinge. Sie gelten nämlich unwissenschaftlicherweise als unwiderlegbar gefährlich und können de facto innerhalb dieser Stadtmauern nicht vermitteln werden.“

Aber auch große, ältere, chronisch kranke und verhaltensauffällige Tierheimhunde tun sich mitunter schwer damit, ein neues Zuhause zu finden. „Zum Teil beobachten wir auch eine gewisse Zurückhaltung bei schwarzen Tieren“, ergänzt Dr. Urte Inkmann.

Problemhund Tosun aus Hamburg

Trauriger Spitzenreiter im Hamburger Tierheim ist der Kangal-Mischling Tosun. Der „Problemhund“ lebt seit Anfang 2013 im Hundehaus des Tierschutzvereins: „Mittlerweile ist er so alt und schon so lange bei uns, dass eine Vermittlung für ihn nicht mehr erstrebenswert ist. Er bekommt von uns und von den Ehrenamtlichen Liebe und Beschäftigung, Spaziergänge, wird medizinisch versorgt und hat sein eigenes Reich.“

Dass der 13-jährige Kangal-Mix-Rüde wahrscheinlich im Tierheim sterben wird, hat seine Gründe: In Hamburg zählt der Kangal zu den Listenhunden der Kategorie 3 und somit zu den widerlegbar gefährlichen Hunden. Zudem braucht er als Herdenschutzhund eine Aufgabe, die er selbstbewusst erfüllen darf.

Problemhunde © Beata / stock.adobe.com
Bestimmte Rassen wie der Kangal zählen in manchen Bundesländern zu den Listenhunden. Das erschwert ihre Vermittlung.

Wer trägt die Kosten für solche Problemhunde?

Einen „Problemhund“ wie Tosun über Jahre hinweg zu versorgen, hat seinen Preis. Die Kosten müssen die Tierheime selbst stemmen. Patenschaften und Spendengelder finanzieren die aufwendige Betreuung alter, kranker und verhaltensauffälliger Tierheimhunde. Ein schwer zu vermittelndes Tier einzuschläfern wäre nämlich nicht nur unmoralisch, sondern in Deutschland auch illegal.

Dr. Urte Inkmann erklärt: „Nur wenn ein Tier unter nicht behebbaren Schmerzen oder Schäden leidet oder eine große Gefahr für den Menschen und andere Tiere von diesem ausgeht, darf eine Euthanasie durchgeführt werden.“ Also bleiben die Problemhunde in der Obhut der Tierschützer. Für manche dieser tierischen Sorgenkinder kann eine liebevolle Pflegestelle oder ein Platz in einem ländlich gelegenen Tierheim gefunden werden. Dort dürfen sie dann in Frieden altern.

Die Corona-Krise hat das Problem verschärft

Darüber hinaus betreibt der Deutsche Tierschutzbund das „Lissi-Lüdemann-Haus für Not leidende und hilfsbedürftige Hunde“. Dabei handelt es sich um ein Projekt zur Resozialisierung problematischer Vierbeiner. Lea Schmitz, die Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbundes, sagt: „Die Warteliste zur Übernahme von Problemhunden aus uns angeschlossenen Tierheimen wird immer länger. Die Corona-Krise und damit die steigende Anzahl an Hunden hat dieses Problem sicher noch einmal verschärft.“

Die Lockdowns in den Corona-Jahren 2020 und 2021 hatten bei vielen Menschen den Wunsch nach einem tierischen Gefährten geweckt. Doch nicht alle waren der „Herausforderung Hund“ gewachsen, wie Lea Schmitz berichtet: „Wenn der Hund nicht so ,tickt‘ oder ,funktioniert‘ wie erwartet, sind die Menschen mit der Situation schnell überfordert. Laut einer Umfrage bereut wohl ein Fünftel die Anschaffung ihres Haustiers während Corona.“

Video-Tipp: Weitere, spannende Einblicke in die Tierschutzarbeit, zu Problemhunden und den damit zusammenhängenden Auswirkungen der Pandemie gibt es in der zooplus Video Reportage „Wenn Helfer Hilfe brauchen: Alltag in deutschen Tierheimen“.

Aus Schnäppchen werden Problemhunde

Dazu kommt: Unüberlegt angeschaffte Hunde stammen oftmals aus fragwürdiger Zucht oder gar von der berüchtigten Welpenmafia aus Osteuropa. Die Tiere wachsen dort unter reizarmen, tierschutzwidrigen Bedingungen auf und werden viel zu früh der Mutter entrissen. Durch den langen Transportweg sind die Hundebabys geschwächt und häufig auch krank, wenn sie in Deutschland ankommen. Defizite während der wichtigen Sozialisierungsphase führen zu Verhaltensproblemen – und ein vermeintliches Schnäppchen entwickelt sich zum teuren Problemhund.

Was also tun? Für Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund ist klar, dass jeder Hund eine zweite Chance verdient. Am besten kommt es aber erst gar nicht so weit: „In vielen Fällen müssen die Tierheime ausbaden, was schon im Vorhinein verhindert werden könnte. Schon lange fordern wir den Nachweis theoretischer Sachkunde vor der Anschaffung eines Hundes.“

Die Interessenten müssten dann grundlegende Kenntnisse zur Hundehaltung und -erziehung nachweisen, bevor sie einen Vierbeiner aufnehmen dürfen. Auf diese Weise würden weniger Hunde Verhaltensauffälligkeiten entwickeln und später als „Problemhunde“ im Tierheim landen. Es warten aber natürlich nicht nur Sorgenkinder im Tierheim, wie Lea Schmitz betont: „Auch viele freundliche und unkomplizierte Hunde suchen hier ein neues Zuhause. Oder solche, die lediglich ein bisschen Training und Vertrauen benötigen und dann einen treuen Begleiter fürs Leben abgeben.“

Was denkst du über sogenannte Problemhunde? Hast du schon mal einen schwierigen Fall aus dem Tierheim adoptiert? Was hast du mit ihm erlebt?

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