Dülmener Wildpferd

Verfasst von Natalie Decker
Dülmener Wildpferd

Die Dülmener Wildpferde im Merfelder Bruch gelten als letzte Wildpferdeherde Europas.

Das Dülmener Wildpferd kennt weder Sattel noch Zaumzeug. Die Tiere leben frei und weitgehend unbeeinflusst vom Menschen in einem Naturschutzgebiet nahe der nordrhein-westfälischen Stadt Dülmen. Pferde, die außerhalb der Wildpferdeherde gehalten werden, werden Dülmener genannt. Sie dienen beispielsweise als Kutschponys oder als Reitponys für Kinder.

Aussehen: Ursprüngliche Kleinpferde

Dülmener Wildpferde erreichen für gewöhnlich ein Stockmaß von 125 bis 135 Zentimetern. Der edle Kopf ist rechteckig, der Hals sanft gebogen – wobei ein leichter Unterhals toleriert wird.

Ihr Widerrist ist nur mäßig ausgebildet, der Körperbau wirkt insgesamt rechteckig. Der Rücken und die Hinterhand der Dülmener Wildpferde sind muskulös.

Mit ihrer schrägen Schulter, der leicht abschüssigen Kruppe und den kleinen harten Hufen entsprechen diese ursprünglichen Kleinpferde nicht dem gängigen Bild eines modernen Reitponys.

Typische Fellfarben: Falben mit Wildzeichnung

Bei den Dülmener Wildpferden dominieren die Wildfarben. Charakteristisch für diese alte Ponyrasse sind Falben in allen Variationen, wobei gelegentlich auch Füchse und andere Farben vorkommen.

Am häufigsten sieht man Grau- und Braunfalben mit dem für Wildpferde typischen Aalstrich von der Mähne bis zum Schweif. Manche Tiere weisen auch ein Schulterkreuz oder Zebrastreifen an den Beinen auf.

Weiße Abzeichen sind nicht erwünscht. Das Mähnen- und Schweifhaar sowie der Fesselbehang sind relativ stark ausgeprägt.

Die Dülmener Wildpferde leben im Naturschutzgebiet Merfelder Bruch. Wenige Kilometer westlich der nordrhein-westfälischen Stadt Dülmen befindet sich das 3,2 Quadratkilometer große Areal, das mit seinem abwechslungsreichen Bewuchs die Heimat dieser Ponys bildet.

In den Laub- und Nadelwäldern, auf den Wiesen und Heideflächen des Merfelder Bruchs finden die Dülmener Wildpferde alles, was sie brauchen.

Auf ihrer Wildpferdebahn leben die Tiere ganzjährig frei, ungezähmt und (fast) ohne menschlichen Einfluss. Etwa 300 bis 400 Exemplare gibt es in diesem Gebiet. Vierbeiner dieser Rasse, die außerhalb der Wildpferdebahn leben, werden Dülmener genannt.

Wem gehören die Dülmener Wildpferde?

Alle wild lebenden Dülmener Wildpferde gehören dem Herzog von Croÿ. Dessen Vorfahre Alfred von Croÿ hatte 1847 20 Dülmener Wildpferde einfangen lassen und im Merfelder Bruch eine Wildpferdebahn eingerichtet, um die Rasse zu retten.

Denn Mitte des 19. Jahrhunderts verloren die Tiere aufgrund der zunehmenden landwirtschaftlichen Nutzung der Region ihren Lebensraum.

Dülmener Wildpferde
Die Dülmener Wildpferde leben frei und weitgehend unbeeinflusst vom Menschen.

Aufgrund ihrer Lebensweise gelten Dülmener Wildpferde als robuste, ausdauernde Vierbeiner. Im Merfelder Bruch leben sie in Familienverbänden zusammen, die aus verwandten Stuten mit ihren Fohlen bestehen und von einer erfahrenen Leitstute angeführt werden. Die Herde spielt für diese sozialen Tiere also eine wichtige Rolle.

Kann man Dülmener Wildpferde reiten?

Dem Menschen gegenüber zeigen sich die intelligenten Dülmener freundlich und gutmütig.

Tiere, die außerhalb der Wildpferdebahn gehalten werden, können beispielsweise als Reitponys für Kinder, als Kutschponys und sogar beim therapeutischen Reiten eingesetzt werden. Ihr Bewegungsablauf ist taktrein, raumgreifend und energisch.

Wildpferd oder wild lebendes Pferd?

In ihrem Schutzgebiet sind die Dülmener Wildpferde weitgehend auf sich allein gestellt. Auch bei Krankheiten oder Fohlengeburten greift der Mensch nicht ein. Die Tiere verlassen sich im Überlebenskampf ganz auf ihre Instinkte.

Dennoch handelt es sich nicht um Wildpferde im biologischen Sinn. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich immer wieder entlaufene Kriegs- und Bauernpferde mit den Dülmener Wildpferden gepaart.

Darüber hinaus wurden zur Blutauffrischung auch gezielt andere Rassen wie Welsh-Ponys, Exmoor-Ponys und Koniks eingekreuzt. Die Tiere zeigen also durchaus Merkmale domestizierter Pferde.

Auf der Wildbahn leben die Dülmener Wildpferde das ganze Jahr über im Freien. Abseits des Geheges bietet sich für diese widerstandsfähige Ponyrasse daher die ganzjährige Offenstallhaltung an.

Ernährung der Dülmener Wildpferde

Gefüttert werden die wild lebenden Dülmener nicht. Nur in besonders strengen Wintern bekommen die genügsamen Vierbeiner ergänzendes Raufutter wie Heu, Stroh oder Grassilage.

Da die Tiere gute Futterverwerter sind, sollten Halter darauf achten, ihre Dülmener nicht zu überfüttern, um Übergewicht zu vermeiden. Hochwertiges Heu und frisches Wasser bilden die Ernährungsgrundlage. Sportlich aktiven Dülmenern, die als Reit- oder Fahrponys genutzt werden, kann ab und an etwas Pferdemüsli angeboten werden.

Wieso brauchen Wildpferde keinen Hufschmied?

Dülmener Wildpferde bekommen in ihrem Schutzgebiet weder Besuch vom Tierarzt noch vom Hufschmied bzw. Barhufpfleger. Ihre kleinen harten Hufe nutzen sich durch den natürlichen Abrieb von selbst ab, sodass das Horn stets gut geformt ist.

Rassetypische Krankheiten sind bei den Dülmener Wildpferden nicht bekannt. Wie alle leichtfuttrigen Pferde sind jedoch auch Dülmener anfällig für Hufrehe.

Werden die Tiere, die an ein karges Futterangebot gewöhnt sind, auf intensiv gedüngte Weideflächen gestellt, steigt zudem das Risiko für die Entwicklung eines Sommerekzems.

Da die wild lebenden Tiere nicht vom Menschen entwurmt werden, ist davon auszugehen, dass die Jährlinge verwurmt sind. Sie sollten daher nach der Ankunft bei ihrem neuen Besitzer sicherheitshalber eine Wurmkur erhalten.

Wie alt werden Dülmener Wildpferde im Durchschnitt?

Dülmener Wildpferde gelten als sehr langlebige Rasse. Ihre Lebenserwartung liegt bei 25 bis 30 Jahren.

Da es in ihrem Schutzgebiet keine natürlichen Feinde gibt und geschwächte Tiere auch nicht von Jägern geschossen werden, sterben alte Wildpferde einen natürlichen Tod. Oftmals verhungern sie, weil sie aufgrund der Abnutzung ihrer Zähne nicht mehr richtig fressen können.

Ursprünglich waren die Dülmener Wildpferde unter dem Namen Dülmener Brücher bekannt. Sie wurden im Jahr 1316 erstmals urkundlich erwähnt und gelten damit als eine der ältesten Pferderassen Deutschlands.

Mitte des 19. Jahrhunderts geriet die Rasse zunehmend in Bedrängnis. Die Tiere wurden bejagt oder eingefangen und als Grubenponys eingesetzt.

Wie bereits erwähnt, schuf der Herzog von Croÿ im Merfelder Bruch ein Gehege für die Vierbeiner und sicherte dadurch das Überleben der Rasse.

Wann kann man die Wildpferde in Dülmen besuchen?

Heute gelten die Dülmener Wildpferde im Merfelder Bruch als letzte Wildpferdeherde Europas. Bei Spaziergängen im Naturschutzgebiet und im Rahmen von Führungen kann man die Wildpferdebahn besuchen.

Seit 1994 stehen die Dülmener Wildpferde auf der Roten Liste der gefährdeten Nutztierrassen in Deutschland. Der Bestand gilt als extrem gefährdet.

Wie läuft die Zucht bei den Dülmener Wildpferden ab?

Zwischen April und September werden die Deckhengste zu den Stuten gelassen – den Rest des Jahres verbringen die geschlechtsreifen männlichen Tiere getrennt von der Herde.

Ziel dieser Vorgehensweise ist, dass die Jungtiere in den warmen, nahrungsreicheren Frühjahrs- und Sommermonaten zur Welt kommen. Denn die Tragzeit der Tiere beträgt elf Monate.

Gut zu wissen: Da seit Mitte der 80er-Jahre nur noch graufalbe Hengste für die Zucht verwendet werden, hat diese Fellfarbe im Bestand stark zugenommen.

Fohlen eines Dülmener Wildpferds
Die Fohlen der Dülmener Wildpferde kommen ohne menschliches Zutun zur Welt.

Dülmener Wildpferde kaufen: Wann werden sie eingefangen?

Zu den wenigen menschlichen Eingriffen in die Population der Dülmener Wildpferde gehört das Einfangen der geschlechtsreifen Hengste. Männliche Tiere werden mit circa einem Jahr aus der Herde entfernt, um Rivalitäten untereinander zu vermeiden.

Seit 1907 findet das Einfangen der jungen Hengste alljährlich am letzten Samstag im Mai statt. Die Tiere werden von Hand gefangen und anschließend an Liebhaber der Rasse versteigert. Stuten werden der Herde seit einigen Jahren nicht mehr entnommen.

Wie viel kostet ein Dülmener Wildpferd?

Der traditionelle Wildpferdefang in Dülmen ist ein beliebtes Spektakel, das jedes Jahr tausende Besucher anzieht. Die Jährlinge dieser seltenen Rasse erzielen bei den Versteigerungen regelmäßig Preise zwischen 2.500 und 3.000 Euro.

Fazit zum Dülmener Wildpferd: Seltene Rasse für Liebhaber

Dülmener Wildpferde sind etwas ganz Besonderes. Mit einem Bestand von nur 300 bis 400 wild lebenden Tieren gilt diese ursprüngliche Ponyrasse als vom Aussterben bedroht.

Wer das Glück hat, ein Tier dieser seltenen Rasse zu besitzen, hat ein kluges, freundliches und genügsames Pony an seiner Seite.

Steckbrief zum Dülmener Wildpferd

Besonderheiten: Dülmener Wildpferde leben frei und weitgehend ohne menschlichen Einfluss im Merfelder Bruch. Vertreter außerhalb der Wildbahn heißen Dülmener.
Charakter: freundlich, lernfähig, gutmütig
Typ: Kleinpferd, Pony
Stockmaß: 125–135 cm
Farben: hauptsächlich Falben
Gang: taktrein, elastisch, raumgreifend
Lebenserwartung: 25-30 Jahre
Eignung: Kinderpony, Kutsche, Therapie
Preis: ab ca. 2.500 € (Jährling)
Herkunft: Westfalen (Deutschland)

Natalie Decker
Profilbild Natalie Decker (mit Pferd)

„Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos“, hat Loriot einmal gesagt. Dem würde ich uneingeschränkt zustimmen und ergänzen: „Ein Leben ohne Pferd, Katze und Kaninchen ebenfalls!“ Mein Herz schlägt für alle großen und kleinen Tiere und ich habe das große Glück, als freie Autorin über meine Leidenschaft schreiben zu dürfen. Mit meinen Artikeln möchte ich für den Tierschutz sensibilisieren und Tierfreund/innen nützliche Tipps geben.


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