Anatolischer Hirtenhund

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Der kraftvolle und wehrhafte Riese besitzt ein sehr friedfertiges und ruhiges Wesen. Als Herdenschutzhund ist er es jedoch gewohnt selbständig zu agieren, was bei falscher Haltung schnell zum Problem wird. Ein Anatolischer Hirtenhund, zu dem die FCI vier unterschiedliche Schläge zählt, gehört daher ausschließlich in die Hände eines erfahrenen Hundeführers.

Ein reinrassiger Anatolischer Hirtenhund?

Streng genommen gibt es einen reinrassigen Anatolischen Hirtenhund nicht, denn im Standard der FCI werden unter der Bezeichnung „Anatolischer Hirtenhund“ (türkisch „Çoban Köpeği“) vier verschiedene Hirtenhund-Schläge zusammengefasst: Den Akba, den Kangal, der Karaba und der Kars-Hund. In ihrem Herkunftsland Türkei gelten der Kars-Hund, der Akba und der Kangal als eigenständige Rassen.

Die vier Schläge

Die Vereinheitlichung im internationalen Standard der FCI ist bei Züchtern umstritten. Viele orientieren sich bei ihrer Zucht daher eher an den Vorgaben aus dem Herkunftsland und konzentrieren sich nur auf einen der vier Schläge. Trotz vieler Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihres Wesens und ihres Erscheinungsbildes unterscheiden sich die vier Hundetypen in ihrer Genetik. Wirklich reinrassige Nachkommen kann es nach Ansicht vieler Züchter daher nur geben, wenn die verschiedenen Schläge nicht untereinander vermischt werden.

  1. Akba: Der Akba (türkisch Akbaş) wird in der Türkei als eigenständige Rasse geführt. Sein Name bedeutet dabei frei übersetzt „Weißkopf“ und deutet darauf hin, dass er im Gegensatz zum Karaba („Schwarzkopf“) keine schwarze Maske trägt. Sein Fell kann sowohl langhaarig als auch stockhaarig sein. Außerdem gilt er als etwas leichter und hochläufiger als die anderen Typen. Vermutlich ist er mit dem ungarischen Hirtenhund, Kuvasz, verwandt.
  2. Kangal: In der Türkei gilt die Rasse des Kangal als eine Art Nationalhund, dessen Ausfuhr aus der Türkei ausschließlich türkischen Bürgern vorbehalten ist und dessen Abbild sogar auf zwei türkischen Briefmarken verewigt wurde. Seinen Ursprung findet der Kangal in der Zuchtstätte der gleichnamigen herrschaftlichen Familie Kangal, die die Zucht über Jahrhunderte hinweg betrieben hat und die in der Türkei bis heute hohes Ansehen genießt. Äußerlich ähnelt der Kangal stark dem Karaba.
  3. Karaba: Der Name Karaba (Karabash) bedeutet so viel wie „Schwarzkopf“ und bezeichnet damit den Idealtyp dieses Hundes, dessen Fellfarbe am Kopf im besten Fall vollständig schwarz ist. Das türkische Heer setzte den Karaba auch als Kampfhund ein.
  4. Kars-Hund: Außerhalb seines Heimatlandes Türkei ist die dort als eigenständig geltende Rasse des Kars-Hundes so gut wie unbekannt. Der Kars-Hund, der auch als „Kafkas“ (=Kaukase) bezeichnet wird, ist der jüngste Schlag des Anatolischen Hirtenhundes und wurde erstmals Ende des 20. Jahrhunderts beschrieben.

Charakter

Trotz der beschriebenen genetischen Unterschiede bezüglich Fellfärbung oder Fellbeschaffenheit besitzen alle vier Schläge recht ähnliche Eigenschaften, die eine Zusammenfassung in der Beschreibung durchaus zulässt. So gelten Anatolische Hirtenhunde als sehr ausdauernd, mutig und wachsam. Trotz ihrer imposanten Größe und ihres stattlichen Körperbaus können sie über lange Strecken verblüffend schnell laufen und wendig reagieren.

Als Herdenschutzhund besitzen sie einen ausgeprägten Beschützerinstinkt und eine hohe Wachsamkeit, die sich bei Dunkelheit verstärkt.

Friedlicher Riese mit Macho-Gehabe

Naturgemäß legen sie ein recht territoriales Gebaren an den Tag, wobei sie keineswegs aggressiv auftreten. Im Gegenteil: Der Anatolische Hirtenhund gilt als äußerst friedfertiger und ruhiger Hund, der sich bei Gefahr zwar mutig zur Wehr setzt, dies jedoch nicht knurrend oder zähnefletschend zur Schau stellen muss. Bei Fremden wahrt der stolze und von Natur aus misstrauische Anatole deshalb am liebsten die Distanz. Problematischer kann hingegen die Begegnung mit Artgenossen verlaufen – besonders dann, wenn der Hund als Welpe nicht ausreichend sozialisiert und erzogen wurde. Seinen „Macho-Allüren“, die sich in einem übertriebenen Dominanz-Verhalten offenbaren, muss deshalb unbedingt frühzeitig durch eine umfassende Sozialisation und konsequente Erziehung Einhalt geboten werden.

Erziehung

Sind Anatolische Hirtenhunde schwer erziehbar?

Der Anatolische Hirtenhund ist zweifellos kein Hund, der „einfach so mitläuft“, was jedoch nicht heißt, dass er nicht erziehbar ist. Schließlich hat der stolze Rassehund auch eine sensible Seite, die sich nach Nähe und Halt sehnt. Wem es gelingt, das Vertrauen seines Hundes zu erobern und sich als souveräner und verlässlicher „Führer“ präsentiert, wird feststellen, dass der Anatolische Hirtenhund trotz seines Eigensinns ein durchaus folgsamer und anhänglicher Hund sein kann, der seiner Familie sehr loyal beiseite steht.

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Keine Rasse für Anfänger

Unterwürfig ist der selbstbewusste Anatole jedoch keineswegs und so wird es sicherlich immer mal wieder Situationen geben, in denen er seinen Halter auf die Probe stellen wird. Schließlich ist er es als Hirtenhund von jeher gewohnt, selbstständig zu sein und Eigeninitiative zu entwickeln. Die Haltung dieses großen und zuweilen recht eigensinnigen Tieres sollte deshalb in jedem Fall einem „Hunde-Profi“ überlassen werden. Denn Schwächen oder Fehler in der Erziehung spürt der intelligente Arbeitshund schnell auf und weiß diese für sich zu nutzen.

Aussehen

Allein seine beeindruckende Größe und Kraft zeigen, dass der anatolische Rassehund kein Hund für Anfänger oder schwache Menschen ist. Sein mächtiger, kraftvoller Körper ist gut bemuskelt, dabei jedoch niemals fett. So ist er überraschend wendig, schnell und ausdauernd, was sich besonders bei seinem Einsatz als Herdenschutzhund bemerkbar macht. Unterstrichen wird die eindrucksvolle Statur durch seinen großen und relativ breiten Schädel mit einem dichten Fellkragen.

Eine der größten Hunderassen der Welt

Seine Widerristhöhe liegt laut Standard bei maximal 86 cm bei Rüden und bei mindestens 71 cm bei Hündinnen. Wobei manche Rassevertreter sogar noch größer werden und an die 90 cm messen. Zweifellos gehört er damit zu den größten Hunderassen der Welt. Je nach Körpergröße liegt das Gewicht dieses imposanten Vierbeiners bei 44 bis 64 kg. 90 cm große Rüden bringen zum Teil sogar bis zu 80 kg auf die Waage.

Anpassungsfähiger Schwarzkopf

Das glänzende und eng anliegende Deckhaar wird durch eine dichte Unterwolle verstärkt und ist kurz oder halblang. Die Haarlänge passt sich dabei optimal den herrschenden klimatischen Bedingungen an und so tendiert es im kalten Winter zu größerer Länge als im heißen Sommer. An Hals und Schulter ist es generell länger und dicker und bildet damit den typischen Fellkragen. Keine Einschränkungen gibt es laut Standard hinsichtlich der Farbe und so kann der Anatolische Hirtenhund in nahezu allen möglichen Farben und -kombinationen vorkommen. Am bekanntesten sind vermutlich die falbfarbenen Rassevertreter mit der schwarzen Maske und den schwarzen Ohren („Schwarzkopf“).

Geschichte

Das dichte und anpassungsfähige Fell verdankt der Rassehund seiner Geschichte als Herdenschutzhund. Unabhängig von jeglichem Wetter lebte der anatolische Herdenschutzhund im Freien und überwachte die ihm anvertraute Herde bei Tag und bei Nacht. In ihrem Heimatland Türkei überwinden die robusten Riesen bis heute unglaubliche Weiten auf der anatolischen Platte – auf der es je nach Jahreszeit extrem trocken und heiß, aber auch empfindlich kalt und windig werden kann.

Ein Nachfahre der Jagdhunde Mesopotamiens?

Der genaue Ursprung der großen Herdenschutzhunde ist hingegen umstritten. Einer Theorie zufolge, die sich auf Abbildungen unterschiedlicher Skulpturen stützt, stammen sie von den großen, doggenartigen Jagdhunden Mesopotamiens ab. Eine erste sichere Schilderung eines Hundes, der als „Schwarzkopf“ bezeichnet wird und dessen Äußeres dem heutigen Anatolischen Hirtenhund sehr nahe kommt, findet sich in einem Reisebericht aus dem Jahr 1592.

Kritik am westlichen Rassestandard

Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts, als es in der Türkei noch keine offizielle kynologische Vereinigung und keine Zuchtbücher gab, wurden die aus der Türkei stammenden Hunde verstärkt nach Westeuropa, besonders nach England, und schließlich auch in die USA importiert, wo man eigene Zuchtstätten aufbaute. Am 10. April 1980 veröffentlichte die FCI einen ersten Standard, in dem sie verschiedene türkischstämmige Hirtenhunde unter dem Namen „Anatolischer Hirtenhund“ zusammenfasste. Besonders in der Türkei, aber auch von westlichen Züchtern wird dieser „fernab der Heimat“ entstandene Rassestandard kritisch beurteilt.

Zucht und Kauf eines Anatolischen Hirtenhundes

Um genetisch wirklich „reinrassige“ Hunde zu bekommen, widmen sich viele Züchter – wie bereits erwähnt – häufig nur einem der vier Schläge des Anatolischen Hirtenhundes. Wer sich für einen Welpen interessiert, sollte sich also zunächst eingehend mit den verschiedenen Typen und ihren Unterschieden vertraut machen. Abgesehen von der wichtigen Frage, ob man sich die Haltung dieser Rasse zutraut, sollte man sich außerdem über die Haltungsanforderungen im entsprechenden Land informieren. Der Kangal beispielsweise steht in manchen europäischen Ländern auf der Liste der gefährlichen Hunderassen und darf nur unter bestimmten Voraussetzungen gehalten werden.

anatolischer hirtenhund portrait

Suche nach einem seriösen Züchter

Vorsicht sollten Sie vor allem bei Anzeigen aus dem Internet oder in Zeitungen walten lassen, die mit süßen Welpen zu „Billigpreisen“ werben. Es handelt sich dabei oft um illegal importierte Hunde aus Osteuropa, die unter sehr fragwürdigen Bedingungen geboren wurden und die weder gesundheitliche Tests noch eine artgerechte Haltung und Sozialisation erfahren haben. Um einen gesunden und wesensfesten Welpen zu bekommen, sollten Sie sich unbedingt einen vertrauenswürdigen und seriösen Züchter suchen, der seine Zucht legal betreibt, der Ihnen bereitwillig Einblick in sein Zuhause und seine Zuchtstätte gewährt und der Wert darauf legt, in welche Hände er seine Welpen gibt. Da die Ausfuhr des Kangal durch Nicht-Türken untersagt ist, wird dieser Schlag im Ausland übrigens oft von türkischen Immigranten betrieben. Seien Sie sich bewusst, dass der Preis für einen Welpen dieser großen Hunderasse gut und gerne zwischen 800 und 1.000 Euro liegen kann.

Gesundheit und Ernährung

Wenn Sie einen Hund aus einer vertrauenswürdigen Zucht erstanden haben, brauchen Sie rassetypische Krankheiten kaum zu fürchten. Anatolische Hirtenhunde zählen zu den zähesten Rassen der Welt. Dennoch kommen leider auch bei ihm – wie bei fast allen großen Hunden – immer mal wieder Fälle von Hüftgelenksdysplasie (HD) vor. Neben einem guten „genetischen Erbe“ bietet vor allem eine umsichtige Haltung und Ernährung, vor allem während der Wachstumsphase, den besten Schutz vor Gelenkerkrankungen. Vor einer zu großen körperlichen Belastung, zum Beispiel durch häufiges Treppenlaufen oder langes Begleiten eines Fahrrads, sollten Junghunde zum Beispiel besser verschont werden. Außerdem sollten Sie auf eine proteinarme Ernährung des Junghundes ab etwa der 6. Lebenswoche achten, damit die Tiere nicht zu schnell in die Höhe wachsen.

Was frisst der Anatolische Hirtenhund?

Abgesehen von gesundheitlichen Ernährungsempfehlungen, die der Vermeidung von Gelenkerkrankungen und Übergewicht dienen, stellt der robuste Hirtenhund keine besonderen Anforderungen an sein Futter. Ob Fleisch und Fisch oder nur Brot und Wasser – wie es ihm in seiner Heimat Türkei von den Hirten vorgesetzt wurde – der Anatolische Hirtenhund frisst, was in seinen Napf kommt. Um ihn optimal zu ernähren, sollte man jedoch Alter, Gewicht und Aktivitätspensum des Hundes im Blick haben. Eine Besonderheit der Rasse ist sicherlich, dass sie selbst mit kleinen Portionen sehr gut klarkommt und vergleichsweise wenig Fleisch braucht. Nichtsdestotrotz sollten Sie Ihrem Hund hin und wieder ein Stück Frischfleisch gönnen, über das er die notwendige Menge tierischen Eiweißes aufnimmt.

Was Sie bei der Hundeernährung beachten sollten

Bei der großen Anzahl möglicher Fütterungsmethoden ist es sicherlich von Vorteil, wenn Sie sich vorab überlegen, welche Methode Ihnen am geeigneten erscheint. Die Meinungen darüber, was für den Hund am besten ist und ob er besser mit Trocken- oder Nassfutter, mit Selbstgekochtem oder rohem Futter (Stickwort „BARFen“) ernährt wird, gehen weit auseinander und haben sicherlich alle ihr Für und Wider. Informieren Sie sich über die Vor- und Nachteile und entscheiden Sie nach Absprache mit Ihrem Tierarzt, welches Futter für Ihren Hund und für Ihre Lebensumstände am geeignetsten erscheint. Wenn Sie ein Futter gefunden haben, das Ihrem Hund gut schmeckt und gut bekommt, das ihn gesund aussehen lässt und das Sie gut in Ihren Alltag integrieren können, sollten Sie auf jeden Fall dabei bleiben. Hunde brauchen keine ständige Abwechslung in Ihrem Futternapf. Im Gegenteil: Zu häufige Ernährungsumstellungen können den Organismus und die Verdauung Ihres Hundes stark belasten.

Haltung und Pflege

Wie bei allen Hunden spielt auch bei dieser Rasse die richtige Pflege und eine artgerechte Haltung eine entscheidende Rolle für die Gesundheit des Vierbeiners. Im Vergleich zu anderen Hunden ist der Aufwand für Pflege, Bewegung und Erziehung beim Anatolischen Hirtenhund jedoch recht hoch. So muss das dichte Fell des Hundes regelmäßig gebürstet werden – was allein bei der Größe dieses riesigen Tieres sicherlich ein wenig Zeit beansprucht. Besonders intensiv gestaltet sich die Fellpflege während des Fellwechsels, wenn abgestorbene Haare mit der Bürste entfernt werden müssen.

Welche Voraussetzungen sollten Halter erfüllen?

Noch mehr Zeit als der Pflege müssen Halter allerdings der Bewegung und Beschäftigung Ihres Hirtenhundes „opfern“. Besonders wenn er nicht als Herdenschutzhund arbeiten kann, sollten Besitzer ihrem ausdauernden und intelligenten Hund eine ausreichende Ersatzbeschäftigung und genügend Auslauf zukommen lassen. Täglich mehrere Stunden an der frischen Luft – sowohl im großen, eingezäunten Garten sowie bei abwechslungsreichen und langen Spaziergängen – sind für das Wohlbefinden des robusten und großen Naturburschen ein absolutes Muss. Es versteht sich von selbst, dass dieser Hund kein Familienhund für eine kleine Stadtwohnung ist. Viel Platz, eine extrem gute Kondition und ein umfassendes Wissen über Sozialisation und Hundeerziehung sind die Grundvoraussetzungen für die Haltung dieses imposanten Riesen.

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